Die globale Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen stellt eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit weltweit dar. Schätzungen der WHO zufolge führen antimikrobielle Resistenzen (AMR) jährlich zu 1,27 Millionen Todesfällen weltweit. Zusätzlich gibt es viele Fälle, in denen Antibiotikaresistenzen bei Todesfällen eine Rolle spielen, die primär anderen Ursachen zugeschrieben werden. Die Studie „Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis”, veröffentlicht im Journal „The Lancet”, schätzte, dass im Jahr 2019 insgesamt etwa 4,95 Millionen Todesfälle mit bakteriellen Antibiotikaresistenzen in Verbindung standen, einschließlich der Fälle, bei denen diese Resistenzen nicht die primäre Todesursache waren. Die Aussichten auf eine Verbesserung dieser Situation sind düster, da Prognosen für das Jahr 2050 von über 10 Millionen Todesfällen ausgehen. Es ist dringend Handlungsbedarf geboten.
One Health ist zukunftsweisend
Die WHO setzt auf die One-Health-Strategie, um die Behandlungseffizienz von Infektionskrankheiten zu verbessern, Behandlungskosten zu senken, Krankenhausaufenthalte zu verkürzen und den Einsatz von Breitbandantibiotika zu reduzieren, was wiederum die Resistenzproblematik entschärfen und die Zahl der Todesfälle verringern soll. Initiativen wie der Global Action Plan on Antimicrobial Resistance (2015) zur Sensibilisierung und Förderung des angemessenen Einsatzes antimikrobieller Mittel, das Global Antimicrobial Resistance Surveillance System (GLASS) für eine bessere Datenlage und aktualisierte Leitlinien zur Antibiotikaanwendung sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung neuer Therapien sind entscheidende Schritte, um der abnehmenden Anzahl neuer Antibiotika entgegenzuwirken.
Der One-Health-Ansatz wird von der WHO als zukunftsweisend in der Bekämpfung von AMR betrachtet, da er die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Gesundheit von Menschen, Tieren und unserer Umwelt erkennt und integriert. Diese Perspektive ist entscheidend, denn AMR macht nicht an Grenzen halt und kann durch verschiedene Kanäle zwischen Tieren, Menschen und der Umwelt übertragen werden. Durch die Förderung einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ermöglicht der One-Health-Ansatz effektivere Präventions- und Kontrollstrategien, die über traditionelle, sektorspezifische Ansätze hinausgehen. Die multidisziplinäre, besser gesagt interdisziplinäre Zusammenarbeit, ist daher essenziell für eine nachhaltige Reduzierung von AMR.
Integrativmedizin als Schlüsselstrategie
Eine umfassende Gesundheitsfürsorge, die alle Faktoren berücksichtigt, muss das oberste Ziel sein. Der zukunftsorientierte, multidisziplinäre Ansatz erweist sich als zunehmend entscheidend im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Die Notwendigkeit eines solchen Ansatzes, der auch die Komplementärmedizin einbezieht, wird immer offensichtlicher, insbesondere angesichts des Umfangs und der Dringlichkeit des globalen Problems der Antibiotikaresistenz und der oft unzureichenden bestehenden Strategien zur Minimierung des Antibiotikagebrauchs. Die Komplementärmedizin bietet potente Lösungen, die den Gebrauch von Antibiotika sowohl in der Prävention als auch in der Behandlung von Infektionen in der Human- und Veterinärmedizin reduzieren können, wie viele Studien mittlerweile zeigen.
Beispielsweise untersuchte die EPI3-Kohortenstudie in Frankreich die Behandlung von oberen Atemwegsinfektionen durch 825 niedergelassene praktische Ärzte und Ärztinnen und deren Verbrauch von Antibiotika in der Primärversorgung im Laufe eine Jahres.. Patienten in der Gruppe der homöopathisch zertifizierten Allgemeinmediziner zeigten einen signifikant geringeren Verbrauch von Antibiotika und antipyretischen/entzündungshemmenden Medikamenten, ohne eine Verschlechterung der Symptome zu erleben. Dies hebt die homöopathische Praxis als mögliche Strategie zur Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs hervor.
Eine weitere Studie, „Antimicrobial mechanisms of traditional Chinese medicine and reversal of drug resistance: a narrative review“, verdeutlicht das Potenzial der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) in der Bekämpfung arzneimittelresistenter Bakterien durch Mechanismen wie die Veränderung der Membranpermeabilität, die Hemmung der Protein- und Nukleinsäuresynthese, die Unterdrückung der Enzymaktivität und die Kontrolle der Pathogenität. Zudem scheint TCM die Antibiotikaresistenz durch die Eliminierung resistenter Plasmide, die Hemmung von β-Laktamasen, die Inhibition der Biofilmbildung und die Unterdrückung von Effluxpumpenaktivitäten zu reduzieren. Diese Erkenntnisse untermauern die Bedeutung der TCM als Quelle für neue antimikrobielle Ansätze und die Umkehrung von Resistenzmechanismen, was für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien gegen resistente Bakterienstämme von hoher Relevanz ist.
In einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studie aus dem Jahr 2010, durchgeführt von Dr. Irene Camerlink an der Wageningen University, wurde die Wirkung einer homöopathischen Behandlung mit Coli 30K-Nosode zur Vorbeugung von E. coli-bedingtem Durchfall bei neugeborenen Ferkeln untersucht. Die Studie zeigte, dass Ferkel von mit der Nosode behandelten Sauen deutlich seltener und weniger schwer an E. coli-Durchfall erkrankten im Vergleich zu einer Placebogruppe. Die Ergebnisse, welche einen sechsfachen Unterschied in der Erkrankungsrate und eine tendenziell kürzere Durchfalldauer in der homöopathisch behandelten Gruppe aufzeigten, unterstreichen die potenzielle Wirksamkeit der Homöopathie als Alternative zu Antibiotika in der Vorbeugung dieser häufigen Krankheit bei Ferkeln. Diese Studie liefert damit einen bedeutenden Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs über die Anwendbarkeit und Effektivität homöopathischer Behandlungen in der Tiermedizin und adressiert zugleich das globale Problem der Antibiotikaresistenz. Die Studie wurde von Döhring und Sundrum sowie von Mathie und Clausen als hochqualitativ eingestuft.
One-Health & Integrativmedizin: Die unschlagbare Allianz im globalen Kampf gegen AMR
Inzwischen gibt es auch verschiedene Initiativen in Österreich, die sich dieser Problematik annehmen. So konzentrierte sich das Symposium zum 16. Europäischen Antibiotikatag 2023, veranstaltet vom Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der Medizinischen Universität Wien, der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit sowie dem Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern Elisabethinen, auf das Konzept von One Health, das die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt integriert betrachtet. Unter anderem wurden Möglichkeiten des Einsatzes von Phagen diskutiert.
Ebenso war der traditionelle Tag der Integrativen Methoden, ausgerichtet in Kooperation der Österreichischen Gesellschaft für Veterinärmedizinische Homöopathie (ÖGVH) und der ÖGT Sektion Ganzheitsmedizin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, in diesem Jahr auf das Thema One Health fokussieren. Für diese Hybrid-Veranstaltung am 25. April 2024 gab es nach einem Keynote-Vortrag von Univ.-Prof. Dr. med. vet. Annemarie Käsbohrer Vorträge von Dr.med.vet. Werner Hagmüller, Prof. Mag. Dr.med.vet. Robert Stodulka, Mag.med.vet. Michael Ridler, Dr.med.vet. Petra Weiermayer, Dr.med.vet. Marcus Kasper und Dr.med.vet. Elisabeth Binder.
Eine weitere Veranstaltung in Oberösterreich widmete sich ebenso dem Thema „Our Health”. Unter dem Titel: „Fakt oder Fake? Wie geht es mit dem Green Deal weiter?“ laden die beiden Organisatoren Dr. med. Bernhard Zauner und Mag. Lukas Hader am 15. Mai renommierte Expert:innen aus dem Bereich Human- und Veterinärmedizin und Landwirtschaft ein.
Angesichts der drängenden globalen Bedrohung durch AMR müssen konventionelle und komplementäre Medizin sowie der One-Health-Ansatz heute, nicht morgen, Hand in Hand gehen. Es ist an der Zeit, dass wir im Interesse aller – unserer Gemeinschaften und unserer Patienten – zusammenarbeiten, anstatt uns in Widerständen zu verlieren. Die Bewältigung dieser Krise erfordert unsere vereinte Aktion!